Ich bin fertig. Zum zweiten/dritten/vierten (?) Mal. Jetzt ist es an der Zeit mein Manuskript erstmals aus der Hand zu geben. Ich habe Testleser in meinem Umfeld auserkoren und warte in den kommenden Wochen auf deren (konstruktive) Kritik.
In der Zwischenzeit wird es um das Exposé gehen. Was das ist und wozu ich das brauche werde ich in einem eigener Beitrag besprechen, hier nun erstmal die lange geplante Rückschau:
Wie man ein Buch schreibt
Clickbait, Runterwähli!
Na gut:
Wie ich mein erstes Buch geschrieben habe
Besser.
Es geht leider nicht ohne ein bisschen Vorgeplänkel: Der Drang nach schriftstellerischer Tätigkeit geht bei mir zurück bis zur Pubertät. Ich führe seitdem ein Ideenbuch, in welchem ich erfasse, wann immer mir ein toller Titel, ein Konflikt, ein Charakter oder ein Dialog einfällt, notiere ich diesen. Kleiner Disclaimer: Ich rede über die Zeit, als es noch nicht viele Laptops gab und Win2000 das neue große Ding war. Kling länger her als es ist. Egal. Über die Jahre füllte sich mein Büchlein und ein zweites musste her. An tollen Ideen scheint es also nicht zu mangeln. Warum hat es dann nochmal zwanzig Jahre gedauert, bis das erste Buch fertig war?
Warum es so lange gedauert hat…
Diese Frage kann ich nur ehrlich beantworten und das tut ein bisschen weh:
Weil ich bisher einfach nicht drangeblieben bin. Weil ich früher nur mit der kreativen Seite der Schriftstellerei kokettiert habe. Weil ich Konflikte ausgearbeitet habe, bis ich an deren natürliches Ende kam und dann, als die eigentliche Arbeit angefangen hat, habe ich aufgegeben.
Ich habe gewartet, dass mir eine konsistente Weiterführung einfällt. Zugegeben, damals wusste noch (zu) wenig über Spannungskurven und deren Verteilung. Einige Gedanken dazu habe ich ja hier schon niedergeschrieben. Heute kann ich aber sagen, dass mein größtes Versäumnis der Vergangenheit darin lag, einfach nicht genug geschrieben zu haben. Schreiben ist nicht anders als Joggen und ein Roman ist ein Marathon. Man sieht seine Grenzen erst, wenn sie einen aufhalten. Und dann kann man sie überwinden. Und das nicht nur einmal.
Mit weniger Pathos ausgedrückt: Mein Problem war meine Arbeitsweise.
Jetzt also nochmal, aber dieses Mal mit Plan. Nur ein Wahnsinniger versucht stets das gleiche und erwartet ein anderes Ergebnis. Mein erster Gamechanger war die Schneeflockenmethode. Ohne es im Einzelnen bewerten zu wollen, war die Schneeflocke genau das Grundgerüst, welches mir gefehlt hat. Durch den strukturierten Ablauf war ich gezwungen die unsäglichen „da kümmere ich mich später drum“ und „jetzt fällt mir grad nichts ein, das verschiebe ich auf einen kreativen Moment“ abzulegen. Es fühlte sich nicht natürlich an, aber ich habe Fortschritte gemacht. Im April und Mai 2020 habe ich so einen groben Szenenplan erstellt und die grobe Story von Anfang bis Ende notiert.
Der erste Entwurf (2020)
Im Dezember 2020 war ich das erste Mal fertig. Diese erste Fassung hatte 135 Seiten. Das Manuskript sollte dem Szenenplan folgen. Das. Klappte. Nicht.
In der Ausarbeitung wurden alle Schwächen des Gerüsts gnadenlos offengelegt. Ein Cut zwischen zwei Szenen mit einem Zeitsprung (z.B. von heute auf morgen)? Jaaa, dann kannste aber nicht in der Handlung weitermachen als sei in dieser Zeit nicht gesprochen worden/nix passiert.. Zumindest ich als Autor muss wissen was die Charaktere gemacht haben, bis es wieder tag wurde.
Ich musste ebenfalls lernen, dass manch coole Szene und manch cooler Charakter schlicht und ergreifend nicht Teil der Geschichte ist. Das kann man natürlich trotzdem machen. Das war der zweite große „Aha“-Moment. Die Geschichte, die ich erzählen wollte, und die Geschichte, die in sich schlüssig war, trennten sich.
Die Charaktere begannen ein Eigenleben zu führen.
Ich hatte am Ende der 135 Seiten eine andere Geschichte beendet, als ich auf Seite 1 begonnen hatte, dafür habe ich meine Charaktere besser kennengelernt. Ich musste zurück ans Reißbrett und Stellen korrigieren, bei denen sich die Figuren nicht wie sie selbst verhielten. In diesem Prozess legte ich die eigentliche Geschichte frei. Es ist nicht gelogen, wenn ich sage: Da sind einige Entscheidungen passiert, die nicht ich getroffen habe.
Natürlich könnte ich die Figuren nochmal ändern, aber an dieser Stelle war gab es schon eine Geschichte. Hätte ich sie verändert, wäre es eine neue, eine andere Geschichte geworden.
Ebenso könnte ich schreiben was ich will, aber dann gibt es keine gute Geschichte.
Der zweite Entwurf (2021)
Ursprünglich wollte ich den ersten Entwurf überarbeiten. Da es aber so viele Änderungen gab, funktionierte das nicht. Ich habe vielleicht 10% retten können, den Rest habe ich neu geschrieben. Hier der zweite Gamechanger: einfach nur schreiben.
Ich hatte mich damit abgefunden, dass auch das Endprodukt dieses Durchlaufs nicht das finale Produkt werden wird, doch ich hatte endlich die Geschichte, die ich erzählen wollte. Ich schrieb und konzentrierte mich darauf vorwärts zu arbeiten. Tippfehler? Ungelenke Sätze? Sind erlaubt. Wichtig ist nur das Weitermachen. Andreas Eschbach gibt auf seiner Seite (konkret hier) als Faustformel an: Alle 100.000 Wörter erfährt man eine Entwicklung. Das kann ich bestätigen. Ich habe alles in allem in drei Jahren rund 300.000 Wörter geschrieben. Ohne diese stete Weiterentwicklung hätte ich es nicht geschafft. Doch so:
Im Februar 2021 war ich erneut an einem Ende angelangt. Die Geschichte war niedergeschrieben und fasste 209 Seiten. Jetzt sollte es ans Polieren gehen…
…dachte ich, doch als ich mich hinsetzte, stellte ich fest, dass ich immer noch nicht beim Feinschliff angekommen war.
Der dritte Entwurf / das erste Manuskript (2021)
Trotzdem war die Story da. Aufgrund meines Brotjobs und anderer Gründe musste ich ein halbes Jahr abwarten, ehe ich wieder drangehen konnte. Im November 2021 schrieb ich weiter. Schicht für Schicht kam ich dem fertigen Roman näher. Die letzten Sackgassen wurden aussortiert und Dialoge mit den korrekten Anführungszeichen versehen.
Bis dato hatte ich in einem laufenden Dokument geschrieben. Jetzt brach ich alles auf Kapitel runter.
Am 21.01.2022 fügte ich alle Kapitel wieder in ein Dokument zusammen und war soweit: Ich war das erste Mal fertig. So, dass man es Manuskript nennen konnte. 406 Seiten.
Jetzt nur noch schnell etwas Watte und Politur holen…
Der vierte Entwurf / das zweite Manuskript / der erste Roman (2022)
Wie überarbeiten? Einfach auftragen und polieren? Ich recherchierte nochmal Satzzeichen und Grammatik und entschied mich endgültig eine Mischung aus Dialogen mit und ohne Inquitformel zu verwenden.
Ich habe mir Andreas Eschbachs 10-Punkte Text-ÜV angeschaut und bin mit dieser Methode an den Start gegangen. Wie bei der Schneeflocke war es für mich nicht so wichtig, dass die Methode perfekt ist. Wichtig war, dass ich methodisch vorgehe!
Das Polieren wurde schnell wieder zur Textarbeit. Ich habe jeden Satz und jedes Wort umgedreht und solange umgesteckt, bis alles an seinem Platz war. Ich habe jeden Satz laut vorgelesen. Tatsächlich merkte ich so am besten, ob der natürliche Flow da ist oder nicht. Wenn der Mund stolpert, stolpert das Hirn meistens auch. Dann hieß es: umstellen! An manchen Abenden schaffte ich nur eine Seite, an anderen schon mal zehn. Ich habe unnötige Szenen gestrichen und alles so gut geschrieben, wie ich es kann (Hier habe ich diese Phase beschrieben). Aus 406 Seiten wurden 412 Seiten, weil ich ein Kapitel vergessen hatte zu kopieren. Aus diesen 412 Seiten wurden dann 391 Seiten. Ich wollte grob 10% reduzieren und habe 5% geschafft. It’s something.
Jetzt bin ich wirklich fertig. So weit, schaffe ich es allein. Alles ist runterdestilliert. Zweitausend Füllwörter sind getilgt worden.
Testleser
Am 19.06.2022 habe ich meine Arbeit erstmalig aus der Hand gegeben. Meine erste Testleserin ist meine Frau, weitere folgen. Ich bin nervös und gespannt.
In der Zwischenzeit wartet aber genug Arbeit. Ich komme endlich zu Phase 3! Um ein Buch zu veröffentlichen, gibt es verschiedene Wege (letztlich vier, wovon drei gangbar sind). Doch dazu braucht es erstmal ein Exposé.
Roman fertig bis Ende Juni? Check!
Nächste Ziele: Letzter Schliff bis Ende Juli / Ein Expoé schreiben bis Ende August und eine Agentur oder einen Verlag finden bis Ende des Jahres.
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