Heute schließt sich ein Kreis. Wer neu einsteigt: Hier und hier sind die zwei lose verbundenen ersten Teile eines stellenweise chaotischen Gedankengangs.
Nochmal Werbung also. Dieses Mal mit Abstand und (vielleicht) Abschluss.
Werbung
Was ist Werbung? Werbung ist die Verbreitung von Informationen mit dem Ziel ein Produkt oder Unternehmen bekannter zu machen. Das sagt alles und nichts, denn alles ist Information, gut wie schlecht, hell wie dunkel. Das wurde auch in einem sehr bekannten Zitat ausgedrückt:
Any publicity is good publicity
Phineas T. Barnum
Und das ist der Teil um den es geht: Hauptsache im Gespräch sein, Hauptsache in die Köpfe kommen, Hauptsache irgendwas. Wenn du keinen Oscar/Tony/Emmy/AVN Award für deinen Film/Song bekommst, dann lass dich halt beim Fremdgehen erwischen oder steig unten-ohne aus dem Taxi. Nichts ist schlimmer als unsichtbar zu sein. Die Bild-Zeitung hat das als Geschäftsmodell perfektioniert, indem sie fast täglich Opfer auf die Titelseite stellen um dann den moralischen Zeigefinger zu heben und zu sagen: „Erst Opfer, dann auch noch Gespött“.
Zurück zum Thema. Alles buhlt um meine (unsere) Aufmerksamkeit, nur die Methoden ändern sich. Barnum lebte und wirkte im 19.Jahrhundert, doch sein Satz gilt unverändert. Infomercials, Low-Budget-Clips und Guerilla Marketing stehen neben und buhlen mit Influencern, Produkt-Placement (mit Blüten wie dieser) und dem guten alten Handelsvertreter.
Ich habe ein schwieriges Verhältnis dazu, weil ich gerne aktiv entscheide mit was ich mich befasse. Werbung, ob heimlich oder „in die Fresse“, entzieht mir genau diese Kontrolle. Dazu kommt, dass ich bin kein großer Spontankäufer bin (aber es kommt vor). Dennoch gestehe ich machen Werbeclips die Existenz zu und gehe sogar noch weiter und erkenne das Format gelegentlich als Kunstform an. Witzige Clips (wie z.B. hier oder hier , bewusste Provokationen (sensationell hier oder hier) oder halber Nonsens, der großartig unterhält (never say no to panda großartig!). Wegen mir auch Stories wie die vom Seitenbacher (ihr wisst schon, der vom Seitenbachermüsli, von Seitenbacher. Lecker lecker Basisöl und so).
Dann gibt es die Schattenseiten wie Fehlinformationen und Irreführung (der legale Rahmen) oder schlicht unkreative Bilder die nichts aussagen (Lachende Frauen essen Salat mit netter Einordnung hier). Am schlimmsten sind für mich Störer, die einen durch Penetranz zur Aufmerksamkeit zwingen (Atzen-Kaufland oder Betroffenheitsbilder mit Elend und Missständen. Nochmal: Weggucken hilft den betroffenen Menschen und Tieren auch nicht, aber ich möchte aktiv hinschauen und nicht beim Frühstücksmüsli von Themen vereinnahmt werden.). Ich versuche entsprechend Produkte zu meiden, deren Werbung mich stört.
Und damit zu einem versöhnlichen Ausklang. [Rant incomming]
Der Knüller
Bis hierher habe ich ja nur über Werbung im Allgemeinen schwadroniert. Nun aber Butter bei die Fische: Sensationspreis! Angebot! Nur heute! Billig! Ich finde es faszinierend, dass sich Wörter bis zur völligen Begriffslosigkeit abnutzen können. Der generelle Effekt heißt: Semantische Sättigung (Bildungsauftrag!). Mein aktueller Favorit: Knüller.
Die Definition von Knüller ist „etwas, was plötzlich großer Aufsehen erregt oder Anklang findet“. Ursprünglich waren das Dinge von gesellschaftlicher Relevanz. Ein Trend in der Freizeit wie Diskos oder Kopfhörerpartys. Scheibenwischer oder Kurvenlicht beim Auto. Ein neuer Song oder ein Film, der alles bisher dagewesene fad wirken lässt. Kurz: The end of the world as we know it. Das wird der Knüller!
Und dann sitzt ein Typ im kurzärmligen Hemd am Schreibtisch unter einer Neonröhre und ruft nach seinem Chef um zu fragen: „Chef, was soll ich ins Prospekt schreiben?“
„Na dass wir das Kilo Fleischwurst diese Woche für 4,99 € statt wie sonst für 5,99 € verkaufen natürlich!“
„Ok, soll ich da Angebot oder so drüber schreiben?“
„Nein, das wird dieser Aktion nicht gerecht. Ich meine, denk doch mal nach! Fleischwurst für unter 5 €? Da schreibst du dick „Knüller“ drüber, das haut die Leute von den Socken!“
Neige ich zur Polemik? Vielleicht. Aber wie sehr verändert 12% Rabatt auf Persil oder die Kiste Fanta für nen Zehner die uns bekannte Realität? Higgs-Boson kommende Woche: In Masse billiger.
Und bevor jemand sich beschwert: Natürlich sind Angebote nützlich und wer sparen muss, ist darauf angewiesen. Aber der Knüller? Die Rabattschlacht? Ist „einmalig“ eigentlich rechtlich bindend? Warum ist alles eine Sensation, ein Knüller oder „zum letzten Mal“?
Vielleicht werde ich alt.
Vielleicht bin ich schon alt.
Get the party startet
Demgegenüber hat mich diese Werbung einfach so sehr aus dem Konzept gebracht, dass ich im Supermarkt fünf Minuten regungslos davor verharrte:
Frage: Wofür wirbt das Plakat?
Ich gebe euch fünf Minuten…
Ok, Zeit ist um: Für Duftkerzen!
Was haben Duftkerzen und Partys gemeinsam?
Nein, die Frage ist ehrlich gemeint, denn ich weiß es nicht.
Ich habe keine Antwort. Ich habe nicht gegen Duftkerzen. Ich habe nichts gegen Partys. Ich sehe nur keinen Zusammenhang. Kann die Party erst losgehen wenn die Duftkerze brennt? Ich war schonmal auf einer PArty ohne Duftkerze, der Kausalzusammenhang ist es also nicht.
„Schatz, hast du an alles gedacht?“
„Klar. Sekt für die Bowle, Chips in zwei Geschmacksrichtungen und Partyhüte. Luftschlangen für die ganz Wahnsinnigen und sogar Kondome für Tara und Hannes, die verschwinden sonst wieder um 10.“
„Und Duftkerzen?“
„Oh Mist, hab ich überlesen.“
„Dann können wir auch direkt absagen. Wie willst du so ne Party feiern?“
Oder Alternativ:
„Wie war es gestern?“
„Boah, ich hab immer noch keine Stimme. War geil!!!“
„Was lief denn?“
„Naja, erst wars ganz nett. Erika und Stefan sind noch vorbeigekommen und haben ne Flasche Wein mitgebracht, aber losgegangen ist es eigentlich erst, als Susanne die Duftkerze angemacht hat. Ich sags dir: Der ganze Raum hat geduftet. Ich bin völlig eskaliert!“
„Krass, bestimmt Vanille, oder?“
„Nee, Apfel Zimt! Danach war Rambazamba!“
„Du das kenn ich, völlig crazy!“
Bestimmt.
P.S. ich hab mir ne Duftkerze gekauft. Schnuppert wirklich gut.
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