Irgendwie modern, was mit Algorithmus oder Alghorytmus? Wo kommt das h hin? i oder y? Egal, dann eben mit Code und mit Programmen und mit Bedürfnisorientiert…auf jeden Fall: Neu, innovativ, individuell und sexy: Werbung Baby!
Alles Ok? Nein! Ich bin genervt. Alle sammeln meine Daten, bringen aber nichts Sinnvolles zu Stande. Ich komme mir vor wie beim amerikanischen Finanzamt:
„Wieviel Steuern muss ich bezahlen?“
„Das müssen sie selber wissen.“
„Ok, dann schätze ich mal.“
„Nein nein, wir wissen genau wieviel sie zahlen müssen.“
„Und sagt ihr es mir?“
„Nein, aber wenn sie Mist bauen geht’s in den Knast!“
…
Seit es die DSGVO gibt, holt sich wirklich jede Seite mein Einverständnis ab. Dafür, dass sie meine Daten speichern und auswerten und an dritte weitergeben dürfen. Lassen wir die ernste Seite der Diskussion mal außen vor. Es bleibt einem ja praktisch nichts anderes übrig als jedes Mal: Cookies erlauben zu drücken. Die Verfolgung der Datenkrake wird durch die permanente Fragerei erst so richtig sichtbar. Selbst ich muss hier auf der Seite eine Datenschutzerklärung haben. Ich kann zwar nichts mit den Daten anfangen, aber sei es drum.
Google speichert alles. Und Amazon auch und Facebook erst recht. Und alle lesen alles mit. Ich könnte (und vielleicht mache ich das an anderer Stelle auch noch) mich darüber aufregen, dass sie das tun, aber darum soll es hier nicht gehen. Jetzt lassen wir sie sammeln. Denn Google funktioniert zwar kostenlos für uns Endverbraucher, ist aber mitnichten umsonst. Das Finanzierungskonzept heißt Werbung. Das ist jetzt keine neue Erkenntnis. Warum speichern sie meine Daten?
Targeted Advertising
Im Fernsehen kann man deutlich sehen, für wen eine Sendung im Programm ist. Also wen die Programmverantwortlichen bei den Sendern bzw. die PR-Menschen der Produkte für ihr Publikum halten. Woran sieht man das? An der Werbung. Rasierapparat, Auto, Herrenduft heißt Männerfernsehen. Rasierapparat für die Beine, Waschmittel und Damenduft heißt Frauenfernsehen. So weit so einfach.
Natürlich heißt dieses Prinzip Schrotflinte. Solange mehr Männer als Frauen Fußball schauen und mehr Männer als Frauen Autos kaufen, so lange ist Jürgen Klopp der bessere Opelfahrer. Oder so ähnlich. Denn die Zukunft kam an: targeted ads.
Da mein Browser weiß was ich suche, kann man mir ja entsprechende Werbeanzeigen einblenden. Idealerweise auf mich zugeschnitten (kann man z.B. hier nachschauen und auch an- und ausschalten). Man kann das ethisch ablehnen und über die Unfreiheit des Willens streiten, aber im Allgemeinen finde ich das gut. Denn: Es gibt keine Gratisseiten. Wenn ich also Werbung sehen MUSS, dann doch gerne für ein Produkt, das mich interessiert.
Und jetzt sind zwei Dinge passiert:
- Ich habe etwas gekauft
- Ich wollte etwas kaufen
Beide Fälle scheinen einfach gelagert. Angenommen ich sitze vor dem Bildschirm und suche nach einem Produkt. Vielleicht checke ich Vergleichspreise, vielleicht lese ich einen Testbericht. Auf jeden Fall nichts, was ungewöhnlich wäre. Der kleine KI Kopf der targeted Ads kann aber notieren: Der Ferdinand will was kaufen, da können wir Geld verdienen.
Was haste denn gekauft?
Konkret war meine Tastatur kaputt. Ich habe kurz gekuckt was es aktuell so gibt. Logitech oder Cherry und die Entscheidung dann vertagt.
Ach, sie sind Sammler?
Und dann habe ich eine Tastatur gekauft. Schnell über Amazon. Die Bestätigung des Deals ging an mein Googlemailkonto. Amazon und Google wissen also Bescheid, dass ich das gesuchte Produkt nicht nur gesucht, sondern auch noch gefunden habe. Warum werden mir dann weiterhin Tastaturen als Werbeeinblendungen angezeigt. Die Chance auf einen Kauf ist doch noch geringer als bei einem Damenrasierer. Bzw. wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei mir um einen Tastatursammler handelt? Ich will nicht ausschließen, dass es das gibt, aber dafür meinen Werbeetat verpulvern?
Das Fernsehen kann ja (noch) nicht nachschauen, wer gerade zusieht. Aber mein Computer kann. Schon lange!
Warum regst du dich auf?
Weil ich nicht bekommen habe was ich will. Also die Tastatur war in Ordnung, aber jetzt beginnt die zweite Geschichte:
Ich möchte etwas kaufen
Ich habe um die Weihnachtszeit ein paar neue Hemden gekauft. Nichts Außergewöhnliches. Passend fürs Büro und/oder einen Abend im Theater. Marken sind mir eigentlich egal, aber wie hier (konkret hier) beschrieben lernt man seinen Körper über die Jahre kennen und schätzt es, nicht wie eine Kartoffel auf zwei Beinen auszusehen. Zumindest nicht mehr als nötig.
Eine der Hemdenmarken, welche ich mir einbilde, dass sie mir steht ist Venti. Preis/Leistung und ich als Kunde kommen da zusammen. Zwei Hemden später war alles erledigt. Dann stach mir ein weiteres Hemd ins Auge. Spontankauf? Warum nicht! Unifarben braun, aber nicht irgendein braun. Schoko!
Aber seht selbst:
Herrlich, oder?
Natürlich gab es das in meiner Größe nicht mehr. Ich trage 41/42. Das entspricht ungefähr Größe L. Wer etwas lernen möchte: Hemdengröße 41 und 42 sind exakt gleich geschnitten und unterscheiden sich nur am Halsumfang um einen Zentimeter. Da ich aber selten Krawatten trage spielt das keine Rolle. Auch eine Shoppingsuche mit Größenangabe brachte keine Ergebnisse mehr.
Das Hemd ist aus. Also richtig aus, kein Zweitshop nichts. Da kann man nichts machen.
Dachte ich und war damit durch. Es ist nur ein Hemd.
So treffsicher wie eine Schortflinte
Aber dann kommt Google. Seit drei Wochen wirft mir jede Seite die Werbung schalten darf, ein Hemd entgegen: Herr Lattner, wie wäre es denn mit diesem Hemd von Venti?
Und jedes Mal zeigen sie mir mein schokofarbenes Hemd. Ein Klick auf die Anzeige und ich bin auf der Produktseite. Das Hemd gäbe es noch in Größe 36, 37 oder 38…Das Gegenteil des Schrotflintenprinzips ist das Scharfschützenprinzip. Das hier? Das ist gar kein Prinzip.
Ihr wollt mich doch veralbern…
Ich hoffe einfach, dass für diese Kampagne niemand Geld ausgegeben hat – oder sehr viel, denn das ist nicht die Zukunft wie sie mir versprochen wurde!
Google, Facebook, Amazon, ihr habt doch alle Daten da. Ihr kennt meine Größe. Erspart mir wenigstens den Schmerz…
Kleiner Nachtrag: Eine Bannerwerbung führte mich gestern hier hin:
Auch hier hoffe ich, dass jemand für meinen Click die 20ct oder was es bringt bekommen hat. Kaufen kann ich so halt nicht. Aber da kann man dann halt nichts machen. Irgendwann kommt die Zukunft noch, vielleicht funktioniert sie dann sogar.
wahrscheinlich wird es bald (sehr bald sogar) viel besser, da mit der Einführung der KI davon auszugehen ist, dass dieses Kürzel ja auch für Intelligenz steht und wenn ich dies bei Google nachfrage heißt es dort: Fähigkeit [des Menschen], abstrakt und vernünftig zu denken und daraus zweckvolles Handeln abzuleiten.
Ich falte die Hände zum Gebet und hoffe, dass Google hier Bescheid weiß, weil dann herrscht wieder erwarten doch irgendwann die Vernunft. Und ich bekomme endlich die Information über die neue Winterjacke bevor ich sie kaufe und nicht wie im Moment andauernd hinterher.