Für mich ist die Tatsache, dass wir uns unserer eigenen Existenz bewusst sind ein Phänomen, welches ich nie nicht spannend finden werde. Cogito ergo sum res cogitans. Ich denke, also bin ich ein Ding das denkt. Die Worte des französischen Philosophen Rene Descartes sind vielleicht die berühmtesten Worte eines Philosophen überhaupt (Und das obwohl er sich selbst eher als Mathematiker verstanden hat. Er ist auch der Vater des Koordinatensystems wie wir es kennen). Er hat das Zitat mehrfach leicht variiert und sowohl auf französisch als auch auf latein wiedergegeben. Am bekanntesten ist die Kurzform cogito ergo sum oder zu deutsch: ich denke also bin ich.
Es ist für mich ein immerwährender Quell des Erstaunens, dass uns die ganze Welt durch unseren Wahrnehmungsapparat gegeben wird und dann in unserem Geist zusammengesetzt wird (manch Philosoph sah die Realität ausschließlich in unserem Geist. Idealismus anyone? Esse est fucking percipi!). Weniger dick aufgetragen, hängt vieles in unserem Denken davon ab, dass unser Geist korrekt unterscheiden kann was wir erlebt, gelernt oder geträumt haben. Wir wissen, was wir in einem Film gesehen haben oder mit wem wir uns über etwas unterhalten haben (zumindest häufig. Ich labere die Leute auch oft mehrfach mit den gleichen Sachen voll.) und wir erinnern uns auch, dass wir etwas sagen wollten (it), es aber nicht getan haben.
Und wenn das nicht richtig funktioniert?
Déjà-vu, déjà-entendu, déjà-rêvé
Ein Déjà-vu ist eine Erinnerungstäuschung, bei der unser Geist ein aktuelles Erlebnis mit einer Erinnerung in Einklang bringt und eine Übereinstimmung feststellt, wo keine sein kann. Die Außenwelt, welche mir ja nur in mir drin gegeben ist, war schonmal genauso. Das kann nicht sein und ist es doch. Wie genau das funktioniert ist nicht geklärt, aber das Gefühl kennt jeder und es ist mitunter mächtig.
Und was hat das mit der Schreiberei zu tun?
Na genau das: Es passiert die ganze Zeit!
Also nicht die ganze Zeit, aber folgt mir ein wenig, dann erkläre ich mich: Ich habe für beide Romane einen Dramaturgiebogen erstellt und eine Szenenliste verfasst. Ich wusste, worauf ich hinaus will und was noch passieren wird . Nun haben sich manche Szenen während des Schreibens verändert und wollten nicht in die Richtung, die ich ursprünglich wollte. Geschenkt, dann muss halt die Story angepasst werden.
Im Laufe des Schreibens kamen aber immer mal wieder Momente, bei denen ich dachte „Hier passt der Reveal von vor fünf Szenen viel besser!“ oder „Perfekter Augenblick für etwas Foreshadowing“. Dann muss man sich halt merken (oder notieren), dass man hier einen Hinweis versteckt hat, den man später einlösen kann. Soweit so normaler schriftstellerischer Alltag.
Das Problem existiert erst, wenn man über Wochen sehr dicht am Text arbeitet. Irgendwann ist das Hirn so voll mit allem was passiert (aufgeschrieben ist), noch aufgeschrieben werden soll (notiert ist) oder im Hintergrund passiert (Worldbuilding), dass eine Unterscheidung nicht mehr möglich ist.
Ich wusste am Ende nicht mehr, ob ich einen Gedanken eingearbeitet hatte oder es nur vorhatte. Es gab keine zeitliche Abfolge mehr. Alles war parallel. Alles war gleichzeitig.
Da hilft nur Abstand. Das Manuskript für drei Wochen zur Seite legen.
Das war meine größte Sorge als ich mein Buch der ersten Testleserin gab. Macht der Text überhaupt Sinn, wenn man nicht ich ist? Kann mein Roman ohne mich existieren?
Zu diesem Zeitpunkt gab es den Inhalt nur mit mir im Doppelpack. Und niemanden sonst. Das war intensiv.
Dafür merkt man wie viel leichter der Kopf wird, wenn man die ganzen Gedanken auf Papier bannt. Endlich verbinden sich die Elemente und das Hirn rattert nicht noch mehr potentielle Verbindungen raus.
Deja vu?
Eine Erinnerungsstörung, wenn wir die Welt da draußen und die Welt in uns nicht mehr sauber trennen können. Eine perfekte Szene aus dem Film Matrix (1999), welche die philosophische Dimension der Einleitung bis in den Kern trifft. Die Realtität im Geist:
Und es passiert immer wieder:
Pfft! What‘s reality anyway?
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