Ich habe vor hier einige Gedanken, die mir schon länger schwer im Kopf herum schwirren in Ordnung zu bringen. Es geht um einen geordneten Gang durch die Rockmusik, das Gitarrenspiel, deutsche Literatur, Beat und vielleicht noch mehr. Das ganze hat Gründe die ich in den jeweiligen Beiträgen mit besprechen werde.
Das hier ist das Vorspiel:
Es gibt gute Einstiege in die jeweiligen Themen. Es gibt verschiedene Reihenfolgen um zu einem Ziel zu kommen und es gibt sehr viele verschiedene Ziele. Vieles, was ich gemacht habe würde ich heute anders anfangen. Vor vielen neuen Dingen die mich interessieren stehe ich genau vor diesen zwei Fragen:
- Wo fange ich am besten an?
- Welche Route nehme ich?
Ein Beispiel, dass mir schon mehrfach begegnet ist: Was ist ein guter Einstieg in die Rockmusik? Welche Bands, Songs, Alben etc. müssen dem Anfänger direkt an den Kopf geworfen werden? Vor welchen Sackgassen gilt es zu warnen?
Das ist natürlich hoch subjektiv. Da gibt es natürlich nur Meinung und keine Kriterien. Jeder Versuch der Objektivität führt (letztlich willkürliche) Kennzahlen an, die subjektiv wichtig erscheinen. Wir können über Verkaufszahlen von Singles oder Alben sprechen, über gespielte Konzerte über die Anzahl gecoverter Songs und über Nachrufe in Zeitschriften. Bon Jovi sind heute nicht mehr oder weniger wichtig als U2, zumindest nicht auf einer Skala von jemandem, der beide nicht kennt. Ein guter Einstieg hängt ja mit der Frage der Route zusammen. Möchte ich von den 60s über die 70s in die 80s, dann sind vielleicht die Beatles oder die Stones gute Einstiege. Möchte ich die Höhepunkte, dann vielleicht Queens Live-Aid Performance. Sagt man heute Rock, dann habe ich aber weder die Beatles noch Queen als erstes im Sinn.
Gedankensprung: Ich wurde vor einigen Jahren von meinem Cousin mit dem Problem der Musealität bekannt gemacht. Ich erfuhr etwas offensichtliches, worüber ich noch nicht nachgedacht hatte: In einem Museum werden nicht einfach alte Sachen ausgestellt, weil sie alt sind, sondern weil sie ins Museum gehören. Weil sie für den Besucher interessant sind. Weil sie eine Bedeutung haben.
Nicht jeder Backstein und jeder Feuerstein sind von Bedeutung. Die Aufgabe, dem Besucher einen Gegenstand in seinem Kontext zu zeigen ist aber selbst eine Form der Geschichtsdeutung.
Mir geht es hier nicht um den Vorwurf, dass Geschichtsfälschung betrieben wird oder werden kann. Mir geht es darum, dass man nicht nicht erzählen kann. Und es schwer bis unmöglich ist objektiv zu erzählen. Derjenige, der entscheidet was und in welcher Reihenfolge gezeigt wird, erzählt eine Geschichte. Wie haben die Menschen damals gelebt? Die Frage lässt sich nicht im Stillleben beantworten. Aber mehr haben wir nicht. Wenn ich also zeige, wie Werkzeuge und Besteck ausgesehen haben, dann muss man sich den Rest denken. Die Frage welche Werkzeuge ich zeige beginnt aber bereits mit der komischen Frage: Was ist wichtig? Vielleicht wäre es gerade wichtig, dass die Menschen damals mehr Gabeln als Löffel hatten.
Ein anderes Beispiel: Der moderne Mensch, der Homo Sapiens, ist seit mehr als 30.000 Jahren in der Lage zu sprechen. Manche Forscher gehen sogar auf 100.000 Jahre und mehr. In fast allen Darstellungen (also Museumsfilmen) von Menschen in der Bronzezeit sprechen diese nicht, oder geben nur Laute vor sich. Das wird so gehandhabt, weil wir nichts über ihre Sprache wissen. Sie z.B: mittelhochdeutsch sprechen zu lassen wäre Geschichtsfälschung. Sie aber stumm zu lassen ist nicht korrekt. Egal wie wir diese Geschichte erzählen, wir werden ihr nicht gerecht.
Ein weiteres Beispiel sind die grimmigen Schwarz-Weiß Fotografien, in denen unsere Vorfahren so freudlos und humorlos aussehen. Das Foto gilt als wirklicher als das Gemälde, doch durch die langen Belichtungszeiten mussten die Fotos, mit einigem Kraftaufwand, gestellt werden. Letztlich wird eine Echtheit durch eine andere ersetzt. Je nachdem welche Geschichte man erzählt.
Damit zurück zum Thema. Jemandem Rockmusik oder Literatur zu zeigen ist ungemein schwierig. Fange ich mit wichtigen Vorläufern an? Was ist mit dem allgemeinen Lebensumfeld? Das Feeling der 60s oder 70s? In der Literatur gab es die Strömung des Strukturalismus, der eine Trennung von Autor und Werk forderte. Doch ein Werk ohne Einordnung ist nur für den Literaturwissenschaftler sinnvoll, der diese Einordnung dann selbst vornehmen kann. Selbst wenn es ginge. Ich tilge Autor und Jahreszahl und behalte nur den Text. Bei der Frage wo ich es in der Bibliothek hinstelle, erzwinge ich eine Einordnung.
Am Ende des Tages verhalten wir uns ja schlicht nicht so. Ich kaufe mir ein Buch, weil mir ein anderes des gleichen Autors gefallen hat. Ich kaufe eine Solo CD (wer kauft heute noch CDs?) eines Musikers dessen Band ich mag. Ich ordne ein. Ich kuratiere meinen Konsum und meine Erlebnisse.
Die größten Rockband der Geschichte, Filme die man gesehen haben muss, die besten One-Hit-Wonder…ich mag keine Listen um der Listen willen, aber ich knabbere an der sinnvollen und in begreifliche Größe gepackten Zusammenfassung von Gegenständen.
Um jemandem die Rockmusik begreiflich zu machen, kann ich mir Künstler und Songs auswählen. Diesen Songs kann ich obendrein eine gewisse Gewichtung im Bezug auf das Ganze geben. Wenn die Antwort nicht lauten kann, einfach alle Songs zu hören, dann ist die Zeit begrenzt. Maximal 100min oder 200min oder auch 1000min. Innerhalb dieser Zeit könnte ich abwägen, ob ein wichtiger aber langer Song wirklich wichtiger ist als zwei kürzere Songs kombiniert. Diese Herangehensweise ähnelt dem Rucksackproblem aus der Mathematik (Kombinatorik).
Es gibt zweifelsfrei gute Einstiege in Themen und keine Notwendigkeit den optimalen Weg zu gehen. Es spielt am Ende des Tages keine Rolle. Aber ich finde es spannend, dass scheinbar einfache Fragen so schwierige Antworten haben.
- Welchen Film sollte man einem Außerirdischen zeigen, der noch nie einen Film gesehen hat?
- Welchen Song jemandem vorspielen, der fragt was ein guter Einstieg in die Rockmusik wäre?
- Ich habe jetzt auch Netflix, welche Serie soll ich kucken?
Schreib als Erster einen Kommentar